Der Fall René Deltgen - ausverkauft!
Vorführungstermine:
am Mittwoch, den 10. Januar 2018 um 20 Uhr
Die Vorstellung ist ausverkauft!
gelesen von Ulrich Kuhlmann
Textauswahl Marc Limpach
eine Koproduktion des Kasemattentheaters mit dem CNL und dem CNA
Der Luxemburger Schauspieler René Deltgen geht 1927 an die Kölner Schauspielschule. Von 1931 bis 1934 sammelt er Bühnenerfahrung bei den Städtischen Bühnen Köln. Der Frankfurter Generalintendant Hans Meißner holt ihn dann an die Städtischen Bühnen nach Frankfurt, wo er sich mit seinem Schauspielkollegen Joachim Gottschalk eine Garderobe teilt. Nach dem einjährigen Engagement an den Städtischen Bühnen Frankfurt bekommt er auch seine erste Filmrolle bei der UFA 1935. Danach wechselt er an die Volksbühne Berlin. Zugleich spielt er in weiteren Kinofilmen und gilt als „Clarke-Gable der UFA“. 1939 wird Deltgen in Berlin zum Staatsschauspieler ernannt. Der Freitod seines Freundes Joachim Gottschalk, im Jahre 1941, erschüttert ihn tief. Dieser stand wegen seiner „Mischehe“ unter dem Druck der Nazis und sollte sich scheiden lassen. Am Vormittag des 6. November 1941 fehlt Gottschalk bei der Probe in Berlin. Deltgen, der in der Nachbarschaft wohnt, wird gebeten, nach dem Rechten zu sehen. Minuten später steht Deltgen vor dem Haus. Vor der Wohnungstür der Gottschalks meint er, Gasgeruch wahrzunehmen. Im Inneren liegt Sohn Michael zusammengekrümmt zwischen den Eltern; sie sind kalt und starr. Deltgen ruft den gemeinsamen Freund Gustav Knuth an: „Es ist etwas Schreckliches passiert!“
Bis 1943/1944 spielt Deltgen an verschiedenen Bühnen in Berlin und wirkt in zahlreichen Filmen mit. Im November 1943 kehrt er nach Luxemburg zurück und lässt sich bis September 1944 im Schloss Lauterborn bei Echternach nieder. Nach dem Krieg lebt er zunächst in Oberstorf im Allgäu im französischen Besatzungsgebiet, wohin seine Kinder evakuiert worden waren. Dort gründet er eine kleine Schauspielgruppe, bevor er nach Luxemburg zurückkehrt. Im September 1945 beginnt der Prozess gegen René Deltgen wegen des Verdachts auf Landesverrat: vorgeworfen werden ihm vor allem zwei öffentlichen Aufrufe an die Luxemburger Bevölkerung, sich für den Anschluss an das Dritte Reich einzusetzen. Das Urteil lautet auf zwei Jahre Gefängnis, 100.000 Francs Geldbuße und den Verlust der luxemburgischen Staatsangehörigkeit, die ihm aber 1952 wieder zuerkannt wird. Die Haftstrafe muss er nur zum Teil absitzen. Nach einer vorzeitigen Entlassung beginnt er im September 1946 am Konstanzer Theater wieder mit dem Schauspiel. Auch in den Nachkriegsjahren verzeihen seine Landsleute dem erfolgreichen Schauspieler die „Kollaboration“ mit den Deutschen jedoch nicht. Erst ab 1965, mit der Hauptrolle in Arthur Millers Stück Alle meine Söhne am Städtischen Theater in seiner Heimatstadt Esch/Alzette, beginnt seine schauspielerische und persönliche Rehabilitierung in der luxemburgischen Presse.
Im Zentrum dieser Lesung, basierend auf Interviews, Zeitungsartikeln und vor allem den verschollen geglaubten Gerichtsakten von 1945/46 mit vielen persönlichen Stellungnahmen Deltgens, steht das Verhältnis des in Deutschland erfolgreichen Schauspielers zu seinem Heimatland in schwieriger Zeit. Es liest der auch in Luxemburg bekannte Schauspieler Ulrich Kuhlmann. Kulhmann arbeitete am Staatstheater Stuttgart und dem Züricher Schauspielhaus (wo er als junger Schauspieler René Deltgen noch persönlich kennen lernte) mit Regisseuren wie Peter Palitzsch, Peter Zadek, Klaus Michael Grüber, Hans Neuenfels, Manfred Karge/Matthias Langhoff, Leopold Lindberg, Jorge Lavelli, Bernard Sobel, Manfred Wekwerth und kam über Hamburg 1980 mit Boy Gobert ans Schillertheater, wo er mit Willi Schmidt und erneut mit Peter Zadek arbeitete. 1985 ging er an die Freie Volksbühne wo er im Wesentlichen mit Hans Neuenfels arbeitete. Ab 1992 entstanden Arbeiten in Basel, Bonn, Berlin, Luxemburg und Recklinghausen u. a. mit Barbara Bilabel, David Mouchtar-Samorai, Harald Clemen, Niels-Peter Rudolph, Fred Berndt, Uwe Erich Laufenberg, Jerzy Jarocki, Krzystof Warlikowski, Felix Prader, Anne Simon und Frank Hoffmann.