Foto Franz Kafka 1923

Töten Sie mich, sonst sind Sie ein Mörder.

Eine Lesung aus Briefen, historischen Dokumenten und Zeitzeugnissen zum hundertsten Todestag.

Textauswahl Marc Limpach

Am 3. Juni 1924 stirbt Franz Kafka, 41-jährig, im Sanatorium des Doktor Hoffmann in Kierling bei Klosterneuburg – rührend umsorgt von seiner Freundin Dora Diamant und von Robert Klopstock, einem Medizinstudenten, der selber an einer leichteren Form der Tuberkulose litt. Mit dem Übergreifen der Tuberkulose auf den Kehlkopf fiel Kafka das Sprechen und Essen immer schwerer. Dora und Robert kümmern sich nun gemeinsam um den kranken Freund, der in der Zwischenzeit fast nur noch über Briefe – vor allem an seine Eltern und an Max Brod – und Notizen auf kleinen Zetteln mit seiner direkten Umwelt kommunizieren kann. Kafka hatte Dora, mit der er einige Zeit in Berlin zusammengelebt hatte, noch kurz davor einen Heiratsantrag gemacht. Er schrieb hierzu sogar Doras Vater einen Brief um dessen Einverständnis einzuholen. Nach langem Schweigen kam die Rückantwort des religiösen Vaters, in der er in freundlichen, aber bestimmten Worten erklärte, warum er der Heirat nicht zustimmen könne.

Das Sanatorium des Doktor Hoffmann ist ein kleiner, wie eine Pension geführter Betrieb mit nur wenigen Zimmern.
Da Doktor Hoffmann selbst zu alt ist, um sich um seine Patienten zu kümmern, kommt medizinische Hilfe aus Wien. Ein Arzt, der eines Sonntags zu Kafka nach Kierling gerufen wird, notiert für einen Kollegen: “gestern wurde ich von Fräulein Diamant nach Kierling gerufen. Herr Kafka hatte sehr starke Schmerzen im Kehlkopf, besonders beim Husten. Bei der Nahrungsaufnahme steigern sich die Schmerzen derart, dass das Schlucken fast unmöglich ist. […] Heute rief mich Fräulein Diamant wieder an, um mir zu sagen, dass der Erfolg nur ein vorübergehender war und die Schmerzen in derselben Intensität wieder aufgetreten sind. Ich musste ihr klarmachen, dass Dr. Kafka sowohl in der Lunge als auch im Kehlkopf sich in einem Zustand befinde, in dem kein Spezialist ihm mehr Hilfe bringen kann.”

Am 3. Juni, um vier Uhr morgens, eilt Dora, die in der Nacht Wache an Kafkas Bett gehalten hatte, in das Zimmer von Klopstock und meldet ihm, dass Kafka nur mehr sehr schwer atme. Dora wird etwas später auf das Postamt geschickt um einige Briefe aufzugeben. Sie soll nicht mitbekommen, dass es zwischen Kafka und Klopstock eine Vereinbarung gab. Nachdem Dora den Raum verlassen hat, flüstert Kafka Klopstock zu: „Töten Sie mich, sonst sind Sie ein Mörder“. Laut dem Bericht einer Krankenschwester (notiert von Willy Haas) war Kafka nach einer Morphium-Injektion durch Klopstock schon in den Schlaf gesunken als er plötzlich wieder aufwachte und nach Dora verlangte. Man schickte ein Stubenmädchen hinterher, die Dora schnell fand, da die Post nicht weit entfernt lag. Atemlos kam sie mit einem Strauß Blumen in der Hand an das Bett geeilt und hielt dem scheinbar Bewusstlosen die Blumen vor das Gesicht: „Franz, sieh mal die schönen Blumen, rieche mal!“ flüsterte Dora. „Da richtete sich der Sterbende, der schon entrückt schien, noch einmal auf, und er roch an den Blumen. Es war unfassbar. Und noch unfassbarer war es, dass sich das linke Auge wieder öffnete und lebendig wirkte. Er hatte so wunderbar strahlende Augen, und sein Lächeln war so vielsagend, und Hände und Augen waren beredt, als er nicht mehr sprechen konnte.“

Diese Lesung ist für Blinde und Menschen mit Sehbehinderung geeignet.

Vorführungstermine:

Auf nächste Spielzeit verlegt, genaue Daten folgen!

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